Heilung durch Freundschaft [Post 88]

Können Menschen durch Freundschaft gesund werden? Vor einigen Jahren bekam ich ein Buch mit dem Titel "Connecting - Das Heilungspotenzial der Gemeinschaft" in die Hände. Der Autor, Larry Crabb, verfolgt in diesem Buch einen radikal anderen Seelsorge-Ansatz als ich noch in meiner Ausbildung gelernt habe. Larry Crabb beschreibt wie er in seiner Berufung immer mehr entdecken musste, wie wenig wirkungsvoll sein psychologischer Seelsorge-Ansatz war und wie er sich auf die eine Entdeckungsreise machte, etwas Wirkungsvolles zu finden. Bis er entdecken durfte wir heilsam Freundschaft nach dem Vorbild Jesu ist. Nachgängig kommt er zu der Überzeugung, dass es etwa 80-90% der Seelsorgefälle nicht gäbe, wenn diese Menschen in guten Freundschaften leben würden. Wie sieht aber Freundschaft nach dem Vorbild Jesu aus? Es ist auf jedem Fall das Gegenteil von dem was wir zumeist in jüngeren Jahren, speziell unserer Schulzeit, erleben durften. Ich meine damit speziell das Alter zwischen 12 und 18 Jahren. Wie war denn das, wenn man die falschen Turnschuh-Marke hatte? Wie war denn das, wenn man kein Töffi hatte, keine coolen Klamotten? Wenn man bei den Kollegen in der Clique angenommen sein wollte, wenn man dabei sein wollte, dann musste man schon so einiges an Gruppenzwängen mitmachen. Ich mag mich entsinnen, dass es zu meiner Zeit drei verschiedene Cliquen in meinem Umfeld gab. Zuerst war da die Rocker-Clique. Rauchen, coole Töffi fahren, Jeans-Jacken mit coolen Aufnähern, lange Haare, und so weiter. Man traf sich gerne am Abend auf den Kinderspielplätzen, sehr zum Leidwesen der Anwohner die dann schnell die Polizei holten. Dann gab es weiter die Popper-Clique. Diese waren im Grunde das Gegenteil der Rocker-Clique, mehr so die Shicki-Micki Gang. Im weissen Hemd am Wochenend in die Disco. Sie waren an der Kleidung und an den Frisuren zu erkennen. Und dann gab es auch noch eine Streber-Clique. Bei denen zählte nur der, der auch genügend Sechser (in Deutschland Einser) in den Arbeiten und auf dem Zeugnis hatte. Da ich weder Streber noch Popper war, kam ja nur die Rocker-Clique in Frage. Abends unterwegs sein, rauchen, trinken, fisierte Töffis fahren und coole Jeans-Jacken tragen. Ein Bild von meinem Töffi haben ich noch gefunden - das war für die Zeit wirklich cool. Um dazu zu gehören, um angenommen zu sein musste man etwas machen. Sich Gruppenspezifisch passend kleiden, sich Gruppenspezifisch passend benehmen und auch reden. Bis in unsere Tage funktionieren solche Cliquen immer nach dem gleichen Muster: solange man sie Spielregeln der Clique mitspielte, solange war man angenommen. Nur solange erhielt man Wertschätzung und Annahme. Und das galt für jeden: um Wertschätzung und Annahme zu bekommen machte man ALLES. 

Gemeinde-Cliquen 
Als ich mit etwa 22 Jahren Christ wurde musste ich schnell feststellen, dass die christliche Kreise eigentlich sehr ähnlich funktionieren. Reinkommen tut jeder, aber dann. Denn Annahme und Wertschätzung bekommst erst dann wenn du nach den Spielregeln der Gruppe spielst. Denn auch dort gibt es solche eine "Kleider- und Frisuren-Ordnung"; eine der Gruppe zugehörige Sprache und Verhalten. In dieser Weise funktionieren die meisten Gemeinden (auch Verbände) eigentlich in gleicher Weise wie unsere Cliquen der Jugend. Annahme bekommt man nur dann, wenn man nach den Regeln spielt. 

Jesus hatte keine Clique 
Wie anders war die Gemeinschaft der Jünger um Jesus ? Rein theoretisch könnte man die Gruppe der ersten Jünger in unserem heutigen Verständnis ebenfalls als Clique bezeichnen; eben halt die Jesus Clique. Aber in ihrem Umgang miteinander und in Bezug auf die Gruppentänge waren diese Gemeinschaft doch wesentlich anders. Sie hatten nicht diese Cliquenmechanismen. Alleine die Zusammensetzung der Personen bei verschiedenen Zusammenkünften zeigt, dass es eher eine kunterbunte Schar war, als ein uniformer elitärer Club. Einige Male sass Jesus bei einem Essen an einem Tisch mit betrügerischen Zöllnern, stadtbekannten Prostituierten, heissblütigen Befreiungskämpfern, engstirnigen religiösen Fanatikern und den Anhängern der Bildungselite. Alle zusammen an einem Tisch und er, Jesus nahm sie alle so an, wie sie waren. Er wies keinen von sich weil er die Cliquen-Regeln nicht einhielt, oder die Kleiderordnung missachtete. Er liess sie in ihrem Kunterbunten dasein mit all ihrer Besonderheiten. Warum? Jesus wusste das die Veränderungen am Einzelnen nicht durch die Gruppenregeln sondern durch den Umgang mit Jesus in Bewegung kamen. Durch das Zusammensein und dem Umgang mit Jesus veränderte sich der Einzelne. Denn die Nähe zu Jesus verändert. Und darin hat es keinen Druck. Denn in dieser Form braucht es so lange, wie es braucht. Bei Jesus gab es kein "Zuckerbrot und Peitsche" Prinzip. Nach dem Motto: wenn du alles richtig machst bekommst du Zuckerbrot, wenn die auch nur einen Fehler machst, die Peitsche. Jesus nahm jeden an wie er war, und ist. Jeden mit all seinen Eigenarten, seine Defiziten, seinem "nicht verstehen" - und manchmal auch "nicht verstehen wollen". Darum heissen wir ja auch nicht "die Jesus Clique". In der Schar der Jünger lebte man so eng zusammen, dass jeder die Schwächen und seine Eigenarten genau kannte. Man war so eng zusammen, das keiner etwas verberben konnte. Es war eine Gruppe, in der sich jeder seiner eigenen Defizite bewusst war und man sich dennoch ertrug, ja sogar schätzte. Solch ein Umgang miteinander verändert Leben. Das ist Gemeinde, eine Gemeinschaft die verändert.

Darum ehrt Gott, indem ihr einander annehmt, wie Christus euch angenommen hat. (Römer 15:7 NGU2011)


Wiederholen wir es nochmals: Wie hat Jesus uns angenommen ? - Bedingungslos ! Und seine Freundschaft zu uns steht - Bedingungslos ! Egal welchen "Seich" wir machen. Die Freundschaft zu ihm hält alles aus ! Sein Liebe hofft alles, erträgt alles, .... Nehmen wir ein biblisches Beispiel hierfür: 

Noch während Jesus redete, kam Judas, einer der Zwölf, mit einer großen Schar von Männern, die mit Schwertern und Knüppeln bewaffnet waren. Sie waren von den führenden Priestern und den Ältesten des ´jüdischen` Volkes geschickt worden. Der Verräter hatte mit seinen Begleitern ein Zeichen vereinbart: »Der, den ich mit einem Kuss begrüßen werde, der ist es. Den müsst ihr festnehmen.« Judas ging sofort auf Jesus zu. »Sei gegrüßt, Rabbi!«, sagte er und gab ihm einen Kuss. Jesus sagte zu ihm: »Mein Freund, tu, wozu du gekommen bist! « Und schon traten die Männer heran, packten Jesus und nahmen ihn fest. Da griff einer von Jesu Begleitern nach seinem Schwert, ging damit auf den Diener des Hohenpriesters los und schlug ihm ein Ohr ab. Doch Jesus sagte zu ihm: »Steck dein Schwert zurück! Denn alle, die zum Schwert greifen, werden durchs Schwert umkommen. (Matthäus 26:47-52 NGU2011) 

Es sind zwei Personen die einen "Seich" (Unsinn) machen. Zum einen Petrus. Er nimmt das Schwert um Jesus zu verteidigen und verletzt damit einen Soldaten. Das ist wirklich ein Unsinn. Denn er hätte zusammen mit seinen Kollegen gegen eine bewaffnete Schar Tempelsoldaten sowieso nichts ausrichten können. Aber Jesus kündigt ihm deswegen nicht die Freundschaft. Im Gegenteil, er rettet die Situation indem er den Soldaten heilt. Jesus sagt nicht: Sei nicht so hitzig. Oder: überleg doch erst einmal .... Er macht ihm auch nicht wirklich Vorwürfe deswegen und entzieht ihm auch nicht die Freundschaft. Jesus nahm ihn, den Heissporn Petrus, so an wie er war. So wie er jeden angenommen hat, wie er war. Die zweite Person die in der Geschichte auffällt ist Judas. Insbesondere der Umgang Jesu mit Judas. Denn ich finde es auffällig, das Jesus Judas im Augenblick des Verrats noch seinen Freund nennt. Das ist die absolut bedingungslose Annahme die Jesus hier auf Erden lebte. Darum schreibt Paulus an die Römer: nehmt einander an, so wie Jesus es getan hat. Bedingungslos und in dieser Art von Freundschaft. Denn solche Freundschaft hat die Kraft der Verändeurng, die Kraft der Heilung, für jeden, der in ihren Einzugsbereicht kommt. Wir könnten aufeinander heilende Wirkung haben, wenn wir bedingungslose Annahme nach dem Vorbild Jesu leben würden. Gott kann! Und möchte sein Heilungspotenzial entfalten, indem wir uns als Freunde gegenseitig bedingungslos annehmen.




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