Kreuzige niemals den Osterhasen! [Post 87]

Stell dir einmal vor, du lebst in einer netten Einfamilienhaussiedlung am Rande der Stadt und eines Tages zieht in deiner Nachbarschaft ein Inder ein. Na ja, das an sich ist wohl kein Problem. Aber wenn er dann in seinem Vorgarten anstelle von Zierraten und Rosensträussen eine wilde Wiese mit einer Kuh als Haustier hält, wird es dir möglicherweise schon seltsam und befremdlich vorkommen. Jedoch spätestens, wenn du feststellst das dieser nette Nachbar dann jeden Morgen im Morgengrauen seinen Gebetsteppich herausholt und seine Kuh anbetet, wird es dir ganz komisch werden. Würdest du ihn darauf ansprechen? Vermutlich eher nicht. Es ist doch schliesslich seine Privatsache. 

Ich habe mir diese Frage einmal ganz persönlich gestellt: was muss man in unseren Tagen eigentlich tun um mit dem Glauben auf eine positive Wahrnehmung und echtes Interesse zu erzeugen? Den netten Nachbarn mit seiner Kuh im Vorgarten würde vermutlich niemand aus der Nachbarschaft auf  seinen Glauben ansprechen. Warum sollte ich daher erwarten, dass mein soziales Umfeld mich auf den Glauben anspricht, nur weil ich vor dem Essen bete, bei jeder sinnvollen Gelegenheit "Danke Jesus" sage, oder irgend etwas anderes bekenntnishaftes in meinen Alltag integriere? Nein, in unseren Tagen ist "Glaube Privatsache" wie schon Bischof Lesley Newbegin feststellte. So öffentlich an Jesus glauben, das man positiv damit herausfordert und angesprochen wird, ist in unseren Tagen fast unmöglich. 


Als junger Christ war ich über dies "Ignoranz" zunehmend frustriert. Immer wieder hatte ich auf der Arbeit oder im sozialen Umfeld versucht so zu leben, dass ich auf meinen Glauben angesprochen werde. Jedoch musste ich ernüchtert feststellen: Es interessiert niemanden. Glaube ist eben Privatsache. In meiner Frustration lies ich mich dann dazu hinreissen, mehr auf Provokation zu setzen. "Man muss die Menschen nur nochmehr schütteln, und rütteln mit seinen Aktionen". So errichtete ich an einem Ostersamstag (unerlaubter Weise) ein gut öffentliches sichtbares, etwa 3-4 Meter grosses Holzkreuz auf einer zentralen Kreuzung unserer Stadt. Ich wusste genau, an diesem Nadelöhr mussten heute morgen alle vorbei die  so kurz vor dem Osterfest noch etwas zu besorgen haben, und ..... hier mussten sie langsam fahren weil es ein für Fussgänger beruhigter Bereich ist. Aber ein Holzkreuz an einem Ostersamstag ist als Aktion nicht Aufmerksamkeitswirksam genug. Da bleibt keiner intessiert daran hängen und beginnt nach zu denken. Also beschaffte ich mir einen möglichst grossen Osterhasen und nagelte diesen mit ausgebreiteten Armen an das  errichtete Holzkreuz. Nun hatte ich garantiert die Aufmerksamkeit eines jeden der vorbei kam. Nur nicht ganz so wie ich es beabsichtigt hatte .... 

Eltern mit Kindern im Auto waren äussterst ungehalten darüber, was ich den Kindern da zumutete. Busfahrer zeigten mir einen Vogel, sogar die Presse kam um davon zu berichten. Am Dienstag nach Ostern hatte ich dann "meinen" Bericht in der Zeitung und einen Anruf von meinem, für unsere Gemeinde zuständigen "Bischof ". So lernte ich in diesen Tagen zwischen der "es ist mir völlig egal" Reaktion und der "erzürnten Ablehnung" ist -- NICHTS. Und auch heute nach mehr als 25 Jahren ist es immer noch gleich geblieben. "Glauben ist Privatsache" und man lässt alles unreflektiert zu, bis es stört und dann wird es bekämpft. Dieses Prinzip gilt für alle Glaubensarten und Richtungen, auch den Nicht-Christlichen gleichermassen. Doch dadurch drängt sich eine Frage regelrecht auf: Wie hat sich Jesus denn dieses "seine Zeugen sein" nur unter solchen Rahmenbedingungen vorgestellt?   


Aber ihr werdet den Heiligen Geist empfangen und durch seine Kraft meine Zeugen sein in Jerusalem und Judäa, in Samarien und auf der ganzen Erde.« Apostelgeschichte 1,8 - Hoffnung für Alle Übersetzung

In diesem Text liegt der Schlüssel für das wirksame Zeugnis. In der Kraft des Geistes. Wir können das bereits an den ersten Jüngern erkennen. Der Heilige Geist inizierte die Zeugnis-Situation und die Jünger erkannten diese und nutzen die Gelegenheiten.


In den späteren Jahren meines Christ-Seins durfte ich mehr und mehr erkennen, das dies der wirklich einzige wirkungsvolle und nachhaltige Weg ist Jesu Zeuge sein. Seine Impulse aufnehmen um die Gelegenheiten zu erkennen und diesen nach zu gehen. Das erfordert einiges an Routine durch permanentes Training, aber es ist der einzige wirklich wirkungsvolle Weg. Aus der Gottesnähe den Alltag zu gestalten und hierin die Gelegenheiten zu erkennen und zu nutzen.

Siehe auch: Post: Gelegenheiten erkennen



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