Jetzt heirate ich mich selber! [Post 60]

Auf einer Hochzeitsfeier mit dreizig Freunden und Verwandten hat sich eine Frau aus Taiwan, mit einem offiziellen Ja-Wort und genügend Zeugen SELBER geheiratet. "Wir müssen uns selber lieben, bevor wir andere lieben können", sagte Chen Wei Yi als Begründung. Bei Facebook waren die Pläne der Dreizigjährigen für ihre Selbsthochzeit auf immense Zustimmung gestossen. Beim Anstecken des Ringes benötigte sie ein wenig Hilfe von ihrer Mutter, aber dann ging es doch. Immerhin hatte diese nichts gegen diese Verbindung der Brautleute. 

Was sich wie ein schlechter Witz liest hat einen ganz ernst zu nehmenden Hintergrund. Unsere individualisierte Gesellschaft, in der wir auf dem Wege sind mehr Singel - als Familienhaushalte zu haben, richtet sich mehr und mehr auf den "Ich bin mir selbst genug" Status ein. Der Begriff "Team" taucht zwar in jeder Stellenausschreibung auf, funktioniert aber, wie die Scheidungsraten zeigen, nicht wirklich. Es wäre doch einmal interessant, der Stellenbewerber müsste zum Nachweis seiner Teamfähigkeit seine ganze Familie zum Vorstellungsgespräch mitbringen. In der Interaktion der Familie würde sich sehr schnell die Teamfähigkeit in der Praxis zeigen. Für mich zeigt sich ein Zusammenhang zwischen dem Narzistischen "Ich liebe mich selber" Kult und der Fähigkeit eines funktionierenden Zusammenlebens. In Zeiten, in denen mehr als die Hälfte der Ehen wieder geschieden werden scheinen wir ein Teamfähigkeits-Problem grossen Ausmasses zu haben, denn eine Familie ist schliesslich nichts anderes als ein Team. Aber in einem Team, in dem sich jeder Einzelne mehr liebt als den anderen, ist ein gegenseitiges Rücksicht nehmen ausradiert. Entweder ordnen sich alle dem  "Sich-selbst-wie-verückt-liebenden" unter und zollem ihm Respekt und Ehre, oder das Team muss scheitern da es dann nur noch die Kurzform von "Toll ein anderer machts" ist. 
Leider beginnt in unseren Tagen das Problem bereits in der Kindheit. Zu keinen Prinzen und Prinzessinnen hochstilisierte Kleinkinder lernen schon früh, dass sich die ganze Welt ihren Bedürfnissen und Lebensträumen unterordnen muss. Sicherlich ist das in den ersten Lebensmonaten richtig so, aber wenn dieser Zustand nach Jahren immer noch andauert ist etwas Grundlegendes daneben gegangen. Denn wehe sie müssen sich einmal selber anderen oder dem Kollektiv unter- und einordnen. Die Kindergärtnerinnen und die Primarschulleher können ein Lied davon singen. 

Möglicherweise täte uns allen gut das Bibelwort der gegenseitigen Achtung und Unterordnung neu zu erlernen: 

Tut nichts aus Selbstsucht oder nichtigem Ehrgeiz, sondern in Demut achte einer den anderen höher als sich selbst. (‭Philipper‬ ‭2‬:‭3‬ SCH2000)
   

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Kommentare

Bargen Anita hat gesagt…
Lieber Frank, das ist das Beste, was ich bis dahin über Selbstliebe gehört habe! Danke! Ich tue mich sehr schwer damit, dass "liebe deinen Nächsten wie dich selbst" mit der Selbstliebe beginnt! Ich gebe dir voll recht, dass gegenseitige Achtung und Unterordnung vorgeht. Denn lieben wir uns nicht von Geburt an in dem Stil selber, dass unsere Komplexe zum Himmel schreien: "Ich will Beachtung bitte!" Wir jedoch bekommen alle Beachtung der Welt von Gott selber durch Jesus Christus, und verachten diese Liebe als "minderwertig" gegenüber der Annahme von Menschen!